Das Urteil des OVG Münster für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30.08.2023, Az. 20 A 2384/20 hat in Jäger- und Sportschützenkreisen für Verwirrung und erhebliche Unsicherheiten gesorgt. Da entscheidet das OVG mal eben so, dass auch die Schlüssel zum Waffenschrank in einem Behältnis aufzubewahren sind, das seinerseits den gesetzlichen Sicherheitsstandards an die Aufbewahrung der im Waffenschrank befindlichen Waffen und Munition entspricht.
Bitte was? Nicht nur der Laie, sondern auch die juristische Fachwelt schüttelt über diese Entscheidung den Kopf. Eine gesetzliche Grundlage für die hohen Anforderungen des OVG findet sich jedenfalls nicht. Ebenso haben verschiedene Gericht bereits zuvor entschieden, dass es zum einen keinen gesetzliche Regelung für die Aufbewahrung von Waffenschrankschlüsseln gibt, zum anderen, dass es völlig ausreichend sei, wenn ein Dritter nicht ohne Weiteres Zugriff auf die Schlüssel hat; diese etwa in einer Geldkassette aufbewahrt werden, die von den Tätern nur mit hoher Gewaltanwendung unter Zuhilfenahme von Werkzeugen geöffnet werden kann (VG Köln, Urt. v. 21.02.2019 – 20 K 8077/17). Das VG Würzburg (Urt. v. 22.01.2021 – W 9 K 19.1131) hält sogar die Unterbringung in einem sicheren Versteck generell für ausreichend.
Unbeirrt und von der Fachwelt zu Recht kritisiert schwingt sich das OVG hier zum Gesetzgeber auf. So etwas darf das OVG aber grundsätzlich nur, wenn eine sogenannte „planwidrige Regelungslücke“ besteht; d.h., also der Gesetzgeber tatsächlich übersehen hat, einen bestimmten Sachverhalt -hier die Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffenschrankschlüsseln- gesetzlich zu regeln und eine solche Regelung vorgenommen hätte, hätte er diese Lücke erkannt. Anhaltspunkte gibt es jedoch keine dafür, denn spätestens mit dem 3. Waffenrechtsänderungsgesetz von 2003 ist die Aufbewahrung von Waffen und Munition neu geregelt und im Jahre 2017 noch einmal verschärft worden. Eine Regelungslücke wäre dem Gesetzgeber daher sicher aufgefallen und entsprechend geschlossen worden.
Diese Auffassung vertritt auch der Deutsche Jagdrechtstag, der in seinen Empfehlungen 2023 die Auffassung vertritt, das Urteil des OVG überschreite die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung, finde im geltenden Recht keine Grundlage und beruhe auf einer unzulässigen Analogie zu § 13 AWaffV, da es auf Grund des § 36 Abs. 1 WaffG i.V.m. der Verordnungsermächtigung des § 36 Abs. 5 WaffG an einer unbewussten gesetzlichen Regelungslücke fehlt (Empfehlungen des Deutschen Jagdrechtstags e.V. 2023).
Was hilft das nun dem Jäger oder Sportschützen? – Klare Antwort: NICHTS!
Die Waffenbehörden haben sich inzwischen wie der Fuchs aufs Luder auf die Entscheidung des OVG Münster gestürzt und fordern von den Waffenbesitzern die Aufbewahrung nach den Vorgaben des OVG Münster ein. Erste Rundschreiben liegen inzwischen von der Kreispolizeibehörde Viersen, dem Polizeipräsidium Mönchengladbach und der Kreispolizeibehörde Heinsberg vor.
Mit diesen Schreiben werden die Waffenbesitzer teilweise aufgefordert, binnen drei Monaten die sichere Aufbewahrung der Waffenschrankschlüssel nachzuweisen, wobei in der Konsequenz der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis (WBK) wegen fehlender Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) WaffG angedroht wird; andere Waffenbehörden wählen den milderen Weg und weisen zunächst lediglich auf die Pflicht zur sicheren Aufbewahrung und die Möglichkeit der jederzeitigen Kontrolle durch die Waffenbehörde (§ 36 Abs. 3 S. 2 WaffG) hin.
Auch, wenn nach überwiegender Auffassung in der Fachwelt das Urteil des OVG Münster mehr als fragwürdig erscheint, macht es wenig Sinn, hier zu debattieren oder einen Rechtsstreit von Zaun zu brechen, denn Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sind zäh und dauern oftmals Jahre. Da der Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis generell sofort vollzogen wird, müssten man für die Dauer des Rechtsstreits auf seine waffenrechtliche Erlaubnis und damit auch jede jagdliche oder sportliche Aktivität verzichten.
Wenig Hoffnung machen auch Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, also dahingehend, bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts seine waffenrechtliche Erlaubnis weiter behalten zu dürfen, denn solche Anträge werden ganz überwiegend mit dem Hinweis auf das überwiegende öffentliche Interesse abgelehnt (so etwa Sächsisches OVG, Beschluss v. 18.12.2023 – 6 B 61/23).
Ob und wann in einem Rechtsstreit über die Aufbewahrung von Waffenschrankschlüsseln eine Entscheidung des BVerwG herbeigeführt werden kann und wird, steht in den Sternen; jedenfalls hilft es dem Legalwaffenbesitzer in der aktuellen Situation nicht.
Was bleibt zu raten?
Bei allem Unverständnis über die Praxis der Gerichte und Waffenbehörden -die allerdings an die Anweisungen des Innenministeriums bzw. des LKA gebunden sind- kann dem Waffenbesitzer nur geraten werden, ab sofort die Vorgaben des OVG Münster zu erfüllen und seine Waffenschrankschlüssel in einem Behältnis aufzubewahren, dass auch seinerseits den Anforderungen an die Aufbewahrung der von ihm besessenen Waffen erfüllt.
Das ist grundsätzlich ein Sicherheitsbehältnis nach der Norm DIN/EN 1143-1 mit dem Widerstandsgrad 0 oder nach der Norm DIN/EN 1143-1 mit dem Widerstandsgrad I; Ausnahmen bestehen bei Bestandsschutz nach § 36 Abs. 4 WaffG; hier kann auch ein Waffentresor der Sicherheitsstufe B ausreichend sein. Bei einer Neuanschaffung würde ich jedoch immer dazu raten, den Widerstandsgrad 0 oder 1 zu wählen.
Dieses Sicherheitsbehältnis sollte sinnigerweise über ein Zahlenschloss verfügen, da sich ansonsten erneut die Frage nach der Aufbewahrung des Schlüssels stellt. Vorsicht auch bei Zahlenschlössern, die über einen sogenannten „Notschlüssel“ verfügen – auch diese wäre nach den Vorgaben des OVG Münster in einem entsprechenden Tresor aufzubewahren.
Vorsicht ist auch bei der Wahl der Zahlenkombination geboten: Zahlencodes, die leicht zu erraten oder zu hacken sind, führen im Fall einer rechtswidrigen Öffnung zum Vorwurf der Fahrlässigkeit und damit zwangsläufig auch zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit. Man sollte daher auf simple Kombinationen wie
- Zahlenfolgen „1, 2, 3, 4, 5, 6“
- Geburtsdaten
- Telefonnummern
- mehrfach dieselbe Zahl „7 7 7 7 7 7“
tunlichst verzichten.
Je einfacher eine Zahlenkombination zu erraten oder zu hacken ist, umso höher ist der Grad der Vorwerfbarkeit an ein fahrlässiges Handeln des Waffenbesitzers.
Es hat daher weder etwas mit vorauseilendem Gehorsam oder Obrigkeitshörigkeit zu tun, wenn der Waffenbesitzer jetzt handelt; es ist vielmehr eine rein pragmatische und wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung, wenn wir unserer Leidenschaft Jagd bzw. Sportschießen weiter nachkommen möchten.
Denn: vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich allein in Gottes Hand!
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